Der Verkauf eines baufälligen Gebäudes darf vom Finanzamt nicht als Verkauf eines Baugrundstückes bewertet und besteuert werden – dies ist die für den Steuerzahler positive Kernaussage des erst kürzlich veröffentlichten Rundschreibens Nr. 23/E/2020.
Das Rundschreiben markiert das Ende eines über zehnjährigen Disputs, den das Finanzamt ursprünglich im Jahr 2008 losgetreten hatte, mit dem die korrekte steuerliche Behandlung des Verkaufs baufälliger oder renovierungsbedürftiger Gebäude mit anschließendem Abbruch und Wiederaufbau als Immobilienverkauf in Zweifel gestellt wurde.
Doch beginnen wir von vorne: Mit einer Verordnung im Jahr 2008 hatte das Finanzamt erlassen, dass der Verkauf einer abbruchreifen oder renovierungsbedürftigen Immobilie steuerlich als Verkauf eines Baugrundstücks eingestuft werden kann - mit der Begründung, dass der eigentliche Verkaufsgegenstand nicht das baufällige und dementsprechend wertlose Gebäude darstellt, sondern der Baugrund mit der entsprechenden Kubatur.
Als Indizien für diesen Sachverhalt wurden folgende Tatbestände verwendet:
- das Vorhandensein einer Abbruch- und Wiederaufbaugenehmigung oder eines veränderten Wiedergewinnungsplans mit erhöhtem Baupotential auf dem Grundstück;
- der Verkauf an eine Baufirma, die bereits ein Gesuch für eine Baugenehmigung eingereicht oder diese erhalten hat, welche das Gebäude im Anschluss an den Kauf abbricht sowie mit veränderten Eigenschaften neuaufbaut;
- ein höherer Verkaufspreis als der für das Gebäude übliche Marktwert, der eher dem Marktwert für ein Baugrundstück und nicht dem Marktpreis für ein baufälliges oder renovierungsbedürftiges Gebäude entspricht.
Die Einstufung als Baugrund hat für den Steuerzahler verheerende Folgen: während die Mehrerlöse im Falle des Verkaufs eines Gebäudes zum Zwecke der Anwendung der Einkommensteuer nur dann steuerpflichtig sind, sofern diese innerhalb von fünf Jahren ab Erwerb bzw. des Baus verkauft werden, ist der Verkauf eines Baugrundstückes immer steuerpflichtig.
Von den Steuerzahlern und der Rechtslehre wurde die Rechtmäßigkeit der Verordnung von Anfang an mit Skepsis begegnet: ein Grundstück ist entweder verbaut, wofür eben die Regeln für den Immobilienverkauf Anwendung finden, oder eben nicht verbaut, in welchem Fall dann eben die Regeln für den Baugrund Anwendung finden – eine dritte Alternative, welche die Neubewertung eines Gebäudes in einen Baugrund erlaubt, sieht das Gesetz schlicht nicht vor.
Da das Finanzamt nicht von der eigenen These abrückte, beschäftigte das Streitthema umgehend über alle drei Instanzen die italienischen Steuergerichte. Nach einer anfänglichen Phase, in der der Kassationsgerichtshof teilweise auch die Interpretation des Finanzamtes angenommen hatte, konsolidierte sich in den letzten Jahren fortlaufend die Rechtsprechung des obersten Gerichtshofes zu Gunsten der Steuerzahler: der Verkauf eines Gebäudes bleibt ein Verkauf eines Gebäudes und darf nicht in einen Verkauf eines Baugrundstückes umbewertet werden.
Zu guter Letzt hatte das Urteil Nr. 5088/2019 des Kassationsgerichtshofs diese Interpretationslinie bekräftigt und gleichzeitig auch mehrere Rechtsgrundsätze zum Thema festgehalten:
- Ein Grundstück ist entweder verbaut oder nicht verbaut und die anwendbare Besteuerung hängt von dieser Qualifizierung ab;
- Der Verkauf eines Gebäudes darf nicht in den Verkauf eines Baugrundstücks umqualifiziert werden, auch dann nicht, wenn die Kubatur noch nicht vollständig genutzt wurde;
- Die Abmachung der Vertragsparteien zum Abbruch und Wiederaufbau erlaubt es dem Finanzamt nicht, den Akt als Verkauf eines Baugrundes umzuqualifizieren.
- Die Möglichkeit einer Umqualifizierung eines Rechtsgeschäftes durch das Finanzamt ist unterbunden, wenn das Gesetz für die beiden unterschiedlichen Rechtsgeschäfte (Verkauf eines Gebäudes und Verkauf eines Baugrundes) eine unterschiedliche Besteuerung vorsieht.
Das Finanzamt beweist nun angesichts der vielen gleichlautenden Gerichtsurteile zu Gunsten der Steuerzahler Einsicht und passt die eigene Interpretation des Sachverhaltes mit dem Rundschreiben Nr. 23/E/2020 zum Vorteil des Steuerzahlers nun offiziell der Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofes an.
Wenn also der Gegenstand des Verkaufs ein Gebäude ist, kann diese Übertragung nicht als Verkauf eines Baugrundstücks eingestuft werden, selbst wenn das Gebäude zum Abriss und Wiederaufbau bestimmt ist oder das Gebäude die auf dem Grundstück vorhandene Kubatur nicht vollständig ausgenutzt hat. Bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten sollten überdies nicht mehr fortgeführt werden.
Somit ist nun ein für alle Mal geklärt: der Mehrerlös aus dem Verkauf eines Gebäudes, welches seit mindestens fünf Jahren im Eigentum des Verkäufers ist, niemals einkommensteuerpflichtig, auch wenn es im Anschluss abgerissen und neuaufgebaut wird.